Nachruf Gerd Callesen

10.11.1940 – 9.11.2023

Kurz vor seinem 83. Geburtstag starb in Wien der langjährige Bibliotheksleiter des Kopenhagener Arbeiterarchivs (ABA), Gerd Callesen, der dort von 1970 – 2002 als Forschungsbibliothekar nicht nur die dänische „Gesellschaft für Forschungen zur Arbeiterbewegung“ mit aufbaute. Auch die IALHI war ihm eine Herzensangelegenheit. Er versuchte Einrichtungen, die sich diesem Spezialgebiet der Geschichte widmeten, international miteinander zu vernetzen, z. B. durch Dublettenaustausch oder durch Hilfsmittel wie die 2001 erschienene Bibliografie „Socialist Internationals“, die IALHI und Friedrich-Ebert-Stiftung gemeinsam veröffentlichten.
Callesen hatte 1970 mit einer Arbeit über „Die Schleswig-Frage in den Beziehungen zwischen deutscher und dänischer Sozialdemokratie“ promoviert, die er „Ein[en) Beitrag zum sozialdemokratischen Internationalismus“ nannte.

Sein Spezialgebiet war allerdings die Marx-Engels-Forschung. Bereits 1973 hatte er den Briefwechsel zwischen Friedrich Engels und dem dänischen Sozialisten Gerson Trier publiziert, und als die MEGA Gestalt annahm, suchte er ihr Erscheinen möglichst bekannt zu machen. Allein ab 2000 brachte die kommunistische Tageszeitung Arbeijderen 50 Beiträge von ihm zum Thema heraus. Ab 1997 arbeitete er selbst an einem Briefband, der schließlich 2014 erschien (MEGA III/30). Der davorliegende Band III/29, an dem er mit Georg Fülberth gearbeitet hatte, konnte leider nicht mehr in Buchform erscheinen.

Seit August 2004 wohnte Gerd in Wien, wo er mit dem dortigen „Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung“ den
Briefwechsel zwischen Victor Adler und Friedrich Engels neu herausgab. Bereits 1990 war er einer der Ersten gewesen, die sich in der BzG Gedanken gemacht hatten, wie es mit dem IML weitergehen könne. Zum „Förderkreis“ gehörte er von
Anfang an, und als 2009 das Buch „Bewahren – Verbreiten – Aufklären“ erschien, waren dort auch zwei Beiträge von ihm zu finden.


Ein Unfall im Sommer 2020 zwang ihn, sein „Workaholic“-Leben aufzugeben
und nur noch sporadisch einzugreifen, wo es ihm nötig erschien. Die internationale Geschichtswissenschaft verliert mit Gerd Callesen einen stets hilfsbereiten Kollegen, dessen Wissen uns fehlen wird.


Peter Mönnikes (Paderborner Archiv zur Geschichte der Arbeiterbewegung)

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