Der nachfolgende Beitrag zur Gedenkstätte Bittermark in Dortmund konnte nicht mehr ins Heft 61 aufgenommen werden. Aus Aktualitätsgründen ist er nun auf unserer Webseite vorab veröffentlicht. Wir danken für den überaus lesenswerten Beitrag.
Das Mahnmal in der Dortmunder Bittermark
In den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs erschoss die Dortmunder Gestapo vor ihrem Rückzug aus der Stadt noch mehr als 200 Menschen. Nachdem man bereits zuvor osteuropäische Zwangsarbeiter*innen eigenständig exekutiert hatte, stiegen die Zahlen der Opfer mit den sich nähernden Fronten und vor allem einem steigenden Kontrollverlust des deutschen Sicherheitsapparates immer mehr an. Sie wurden zuletzt nicht mehr zur Exekution in ein KZ überstellt, sondern direkt vor Ort erschossen. Nach einer ersten Massenexekution am 4. Februar 1945 in der Nähe von Lüdenscheid ermordeten Gestapo-Beamte in der Dortmunder Bittermark zwischen dem 7. und dem 24. März auf beziehungsweise in der Nähe der „Spielwiese“ im Rahmen von drei weiteren Massakern 75 Menschen.
In der Nacht auf Karfreitag, dem 30. März 1945, begannen Erschießungen an Bombentrichtern im Dortmunder Rombergpark. Allein zwischen Karsamstag und Ostermontag wurden etwa 90 Häftlinge erschossen. Im Zusammenhang mit dem Rückzug aus Dortmund und weil aufgrund des geschlossenen Ruhrkessels Häftlingsevakuierungen unmöglich geworden waren, erschoss man nun auch Deutsche und westeuropäische Zwangsarbeiter*innen, die zuvor eigentlich der Justiz überstellt werden mussten. Das Morden ging noch bis zum 9. April weiter. So wurden an sechs Bombentrichtern im Rombergpark etwa 145 Menschen ermordet. Die Tatorte näherten sich dabei zuletzt immer mehr der Gestapodienststelle in der Benninghofer Straße. Die letzten drei Opfer wurden auf einem nahegelegenen Bahngelände erschossen.
Bald darauf wurden die Massengräber gefunden und die Opfer exhumiert. 91 Tote wurden in einem Gemeinschaftsgrab auf der „Spielwiese“ in der Bittermark, 137 auf dem katholischen und dem evangelischen Friedhof in Hörde beigesetzt. Bereits am 26. August 1945 fand auf dem Dortmunder Hansaplatz eine erste Trauerkundgebung statt, bei der Fritz Henßler für die SPD und Josef Smektala für die KPD – beide NS-Verfolgte – sprachen. Es folgten weitere Gedenkveranstaltungen in den Jahren darauf, ab 1946 auch an Karfreitag. 1947 entstanden auf Initiative der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) auf der Spielwiese in der Bittermark und auf den beiden Friedhöfen in Dortmund-Hörde erste kleinere Mahnmale.
1950 wurde ein neues, größeres Mahnmal auf der Spielwiese in der Bittermark errichtet und am 6. August des Jahres im Rahmen einer Gedenkveranstaltung, bei der Oberbürgermeister Fritz Henßler und der Oberstadtdirektor Wilhelm Hansmann, ebenfalls NS-Verfolgter, sprachen.
Das Mahnmal selbst bestand aus einem Sandsteinturm auf dem sich eine Feuerschale befand und an dessen Vorderseite eine Tafel mit der Inschrift “Gemordet von verruchter Hand, sei Euer Blut der Freiheit Unterpfand. Karfreitag 1945” angebracht war.
Die Skulptur des ersten Mahnmals wurde in das neue integriert.
Bereits im Oktober 1953 beantragten die VVN und die Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter Sozialdemokraten (AvS) die Errichtung eines neuen „Ehrenmals“ in der Bittermark. Die Begründung lautete folgendermaßen: „Inzwischen hat sich aber doch herausgestellt, dass das Ehrenmal wie es jetzt besteht, in keiner Weise geeignet ist, als Dankesschuld der Bevölkerung für diejenigen angesehen zu werden, die ihren Kampf gegen ein unfassbares Verbrechertum mit ihrem Leben bezahlen mussten.“ Gleichzeitig sollte ein zentraler Gedenkort geschaffen, weil unter anderem die beiden Friedhöfe als für größere Veranstaltungen ungeeignet eingeschätzt wurden. Dementsprechend wurden 1954 die Leichen in der Bittermark und auf den beiden Hörder Friedhöfen exhumiert und zusammen in einer neu geschaffenen Anlage hinter dem Mahnmal auf der Spielwiese in der Bittermark beigesetzt. Die Einweihung unter erstmaliger Schirmherrschaft der Stadt Dortmund wurde auf Karfreitag 1954 gelegt und stellte die Geburtsstunde der bis heute durchgeführten zentralen Gedenkfeiern dar.
Im Jahr darauf wurde mit den Arbeiten an einem dritten Mahnmal in der Bittermark begonnen. Beauftragt wurden der Künstler Karel Niestrath und der Architekt Will Schwarz. Diese legten im März 1955 dem Rat der Stadt Dortmund ein Entwurfsmodell vor. Am 28. Juli 1955 wurde der Entwurf durch den Rat genehmigt und ein kleiner beratender Sonderausschuss gebildet. Im Oktober mit 1956 wurde mit den Betonarbeiten begonnen.
Ebenfalls seit 1956 gab es Kontakte zwischen der Stadt Dortmund und der französischen Fédération Nationale des Déportés du Travail (FNDT, Nationale Föderation der Arbeitsdeportierten). Da unter den Opfern im Rombergpark auch französische Zwangsarbeiter waren, erklärte die FNDT das Mahnmal in der Bittermark zum zentralen Gedenkort für die französischen Arbeitsdeportierten in Deutschland. An Karfreitag 1958 wurde ein namenloses französisches Gestapo-Opfer in der Krypta des noch nicht fertiggestellten Mahnmals symbolisch beigesetzt und eine zweisprachige (Französisch/Deutsch) Gedenktafel angebracht. Anwesend waren Vertreter der französischen und belgischen Regierung und der sowjetischen Botschaft, darüber hinaus eine Delegation der FNDT sowie weitere Menschen aus Frankreich. Die künstlerische Ausgestaltung der Krypta mit einem Marmormosaik erfolgte durch den bekannten französischen Künstler Léon Zack. Dargestellt wird unter anderem ein Stacheldrahtgeflecht zur Erinnerung an die mit Draht gefesselten Opfer und über der Tür findet sich in Großbuchstaben das Wort PAX (Frieden). Darüber hinaus wurde später die Erinnerungstafel des belgischen Verbandes der Arbeits- und Zwangsdeportierten im Krypta-Inneren angebracht. Die endgültige Fertigstellung des Mahnmals zog sich dagegen länger hin als zunächst geplant. Erst am Karfreitag, dem 15. April 1960 konnte nach etwa vier Jahren die offizielle Einweihung unter anderem durch den Dortmunder Oberbürgermeister Dietrich Keuning und eine französische Delegation erfolgen.
Das an eine Gefängniszelle erinnernde Mahnmal zeigt am Kopfende unter der Inschrift Gemordet Karfreitag 1945 die Figur eines gefesselten, abgemagerten und kahlköpfigen NS-Opfers. An den Längsseiten sind das Leiden und Sterben in den Konzentrations- und Vernichtungslagern auf der einen und im Rombergpark und der Bittermark auf der anderen Seite sowie der Widerstand gegen den Nationalsozialismus die Hauptthemen der gezeigten Reliefs. Bei den dargestellten Tätern handelt es sich um abstrakte, roboterhafte Wesen. Menschen kommen nur als Opfer oder Widerstandsaktivisten vor, die einen Märtyrertod am Kreuz sterben.
Bis heute stellen die zu Karfreitag jeden Jahres am Mahnmal in der Bittermark durchgeführten Gedenkveranstaltungen die größten ihrer Art in Dortmund dar und gelten allgemein als zentrale städtische Gedenkfeier.
Literatur und Quellenbestände:
- Asshoff, Wolfgang: Die Dortmunder Bittermark und ihr Mahnmal. Eine Dokumentation, Dortmund 1988.
- Dams, Carsten/Stolle, Michael: Die Gestapo. Herrschaft und Terror im Dritten Reich, München 2009.
- Günnewig, Markus: „Gemordet Karfreitag 1945“. Erinnerungsorte zu den Massenmorden der Dortmunder Sicherheitspolizei, in: Heimat Dortmund 1/2011, S. 24-29.
- Ders.: Kriegsende 1945. Massenmord in Dortmund, in: Heimat Dortmund 1/2015, S. 20-28.
- Högl, Günther: Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945. Ständige Ausstellung und Dokumentation im Auftrage der Stadt Dortmund erstellt vom Stadtarchiv, Dortmund 1981.
- Junge, Lore: Mit Stacheldraht gefesselt. Die Rombergparkmorde – Opfer und Täter, Bochum 1999.
- Rüter, Christiaan F. (Hg.): Justiz und NS-Verbrechen, Band XXXVI, Amsterdam 2006.
- Zänker, Jürgen u.a.: Öffentliche Denkmäler und Kunstobjekte in Dortmund. Eine Bestandsaufnahme, Dortmund 1984.
- Stadtarchiv Dortmund, Best. 424 (Kriegschronik), Best. 167 (Garten- und Friedhofsamt), Best. 100 (Stadtamt für Angelegenheiten des Rates), Best 454 (Nachlass Henßler).
- Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen, Q 223 (Staatsanwaltschaft Dortmund), Nr. 1983ff.
Autor: Markus Günnewig (Leiter der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache
Stadtarchiv Dortmund)