Jubiläen

Unser langjähriger Vorsitzender Prof. Dr. Günter Benser beging am 12. Januar 2021 seinen 90. Geburtstag. Aus diesem Anlass veröffentlichte die „Junge Welt“ unseren Glückwunsch an den Jubilar, der unserem Förderkreis von 1992-2011 vorstand. Mit freundlicher Genehmigung der „Jungen Welt“ drucken wir hier den den Beitrag aus der Ausgabe vom 12. Januar 2021 ab.

Kein bisschen leise. Dem marxistischen Historiker Günter Benser zum 90. Geburtstag. Laudation: Holger Czitrich-Stahl

Günter Benser während der Podiumdiskussion “Deutschland 1949 -2019” gemeinsam Jürgen Hofmann, Moderation Karlen Vesper . Foto: Ingo Müller

Günter Benser wurde am 12. Januar 1931 im sächsischen Heidenau geboren. Seine Eltern kamen aus der Arbeiterjugendbewegung und waren bei der Volksbühne Heidenau aktiv. Dem Arbeiterkind war eine wissenschaftliche Karriere nicht in die Wiege gelegt worden. Nach dem Besuch der Volks- und der Mittelschule in Heidenau 1937-1946 prägte die antifaschistisch-demokratische Umwälzung seinen Lebensweg. Von 1946 bis 1949 absolvierte Benser eine Ausbildung zum Industriekaufmann im benachbarten Elbtalwerk. Von 1949-1951 besuchte er, vom Betrieb delegiert, die Arbeiter- und Bauernfakultät in Dresden, dann in Leipzig, und legte dort sein Abitur ab. Von 1951 bis 1955 studierte er Geschichte an der Karl-Marx-Universität Leipzig und bestand das Staatsexamen als Diplomhistoriker. So war der Weg eines jungen marxistischen Historikers beschritten, und zwar mit Wegmarken, die nur ein sozialistisches Umfeld setzen konnte. Nach dem Studium war er seit 1955 am Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (IML) tätig. Von 1956 bis 1959 wirkte er als Leiter des Sektors Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung von den Anfängen bis 1917. In diese Zeit fielen die Redaktionsleitung des jeweils 1. Bandes der Reihen II und III der „Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ sowie die Editionen des Hochverratsprozesses gegen Karl Liebknecht und der Spartakusbriefe. Von 1959 bis 1969 leitete er den Sektor Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung von 1945 bis zur Gegenwart. Insbesondere die Geschichte der Antifa-Ausschüsse unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ließ ihn nicht los. Im Jahr 1969 wurde Günter Benser zum Ordentlichen Professor für Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung berufen und zum stellv. Leiter der Abteilung Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung seit 1945 ernannt. Ebenso wurde er 1969 Mitglied des Rates für Geschichtswissenschaft der DDR und blieb es bis 1990. 1989 erschien Band 9 der unvollendet gebliebenen Reihe „Deutsche Geschichte in zwölf Bänden“. Hierin verfasste er das 1. Kapitel und gehörte dem Autorenkollektiv an. Zwischen 1969 und 1989 widmete er sich vorrangig der Geschichte der SED, speziell ihrer Entstehung, sowie der Geschichte der DDR, besonders der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung. Dieses Arbeitsfeld überdauerte die Zäsur von 1989-1991, als das IML sich als „Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung“ (IfGA) am 4. Januar 1990 neu gründete und mit Günter Benser als frei gewähltem Direktor die Arbeit wieder aufnahm, die jedoch am 31. März 1992 auf Geheiß der Treuhandanstalt zwangsbeendet wurde. Benser hat den Überlebenskampf des IfGA in dem Buch „Aus per Treuhand-Bescheid“ (2013) dokumentiert. Am 6. März 1991 gehörte er mit prominenten Kolleginnen und Kollegen aus Ost und West und Mitstreiterinnen und Mitstreitern des IfGA zur Gründungsversammlung des „Förderkreises Archive und Bibliotheken zur Geschichte der Arbeiterbewegung“. Günter Benser war von 1992-2011 sein Vorsitzender und Herausgeber der halbjährlich erscheinenden “Mitteilungen“. Er ist seit 1993 Stellv. Mitglied des Kuratoriums der Stiftung Archive der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv. Dass die SAPMO nach schwierigen Auseinandersetzungen nicht in einem Monstrum „Archivzentrum SED-Diktatur“ untergehen wird begrüßt er nachdrücklich. Günter Benser ist nach wie vor ein aktiver Zeitgenosse. Vor allem widmet er sich den wenig zufriedenstellenden Entwicklungen im Beitrittsgebiet, der ehemaligen DDR. In den letzten Jahren wurde er zu einem gefragten Betrachter und Kommentator dieser Schattenseiten eines Beitritts, den er selbst häufig als „Anschluss“ zuspitzte. Wer mehr erfahren möchte, lese seine Bücher „DDR – gedenket ihrer mit Nachsicht“ (2000) und „Die vertanen Chancen von Wende und Anschluss“ (2018). Und so mag man kaum glauben, dass er am 12. Januar 2021 seinen 90. Geburtstag begehen kann. Günter Benser ist kein bisschen leise, auch wenn er immer die feine Tonart bevorzugt. Möge das noch möglichst lange so bleiben!

Holger Czitrich-Stahl ist Vorsitzender des „Förderkreis Archive und Bibliotheken zur Geschichte der Arbeiterbewegung“